Im vollbesetzten großen Saal des „Evangelischen Erwachsenenbildungswerkes“ in Aachen diskutierten Aachener Kriegsgegner gestern fast drei Stunden mit den Bundestagsabgeordneten Ulla Schmidt (SPD), Rudolf Henke (CDU) und Andrej Hunko (LINKE) über die deutsche Beteiligung am Syrienkrieg. Eingeladen hatten wir vom Aachener Antikriegsbündnis zusammen mit dem Aachener Friedenspreis und dem Gastgeber.
Von den Aachener Abgeordneten hatte einzig Andrej Hunko im Bundestag am 4.12.2016 gegen eine deutsche Kriegsbeteiligung gestimmt. Auch in der gestrigen Debatte vertraten Frau Schmidt und Herr Henke die Meinung, dass zwar einzig der politische Prozess zu einer dauerhaften Friedenslösung führen würde, dass sie aber weiter der Ansicht seien, dass „Krieg dazu beitragen könne, dem Recht wieder Geltung zu verschaffen“.
Dies vertraten die beiden Abgeordneten allerdings exklusiv. In zahlreichen Beiträgen aus dem Publikum wurde auf zivile Mittel verwiesen, um die djihadistischen Terrorgruppen IS und Al Nusra zu isolieren. Insbesondere gelte es, die Türkei davon abzuhalten, den Terror zu unterstützen, durch Ölkäufe und insbesondere aber auch durch offene Grenzen für den Nachschub von Waffen und djihadistischen Kämpfern.
Viele Redner aus dem Publikum wiesen darauf hin, dass der Syrienkrieg eine Folge der „Regime Change“-Politik des Westens sei, so wie dies schon bei den Kriegen gegen den Irak und Libyen der Fall gewesen sei. Dabei sei offensichtlich, dass die terroristischen Banden über Jahre mit Waffen und Geld massiv von westlichen Partnern wie Saudi-Arabien („Saudi-Arabien ist der IS als Staat“ so Hunko), der Türkei und den USA unterstützt wurden.
Videos von der Veranstaltung:
Deutschland müsse aufhören, die Terrorpaten Saudi-Arabien, Quatar und die Türkei länger mit Waffen zu beliefern.
Viel Zustimmung gab es für die Ankündigung von Andrej Hunko, dass die Linkspartei die Völkerrechtswidrigkeit des Kriegseinsatze vor dem Verfassungsgericht überprüfen lassen werde.
Rudolf Gottfried, Antikriegsbündnis, Andrej Hunko, LINKE
Großen Raum nahm die brutale Kriegspolitik der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung ein. Andrej Hunko forderte hier von der Bundesregierung ein entschiedenes Vorgehen gegen die Regierung Erdogan. Viel Beifall erhielt er für die Kritik an der Kanzlerin Merkel, die 2 Wochen vor der Parlamentswahl in der Türkei den Präsidenten Erdogan in seinem Palast besucht habe und ihm dadurch offen Unterstützung im Wahlkampf geleistet habe.
Hunko forderte zusammen mit vielen Rednern des kurdischen Volkshauses, dass die syrischen Kurden mit an den Verhandlungstisch in Genf müssten, schließlich seien sie die effektivsten Kämpfer gegen den IS vor Ort. Zudem müsse das PKK -Verbot in Deutschland aufgehoben werden und die türkische Regierung wieder die Friedensgespräche mit den Kurden aufnehmen.
Frau Schmidt betonte, dass sich Deutschland für die Teilnahme der syrischen Kurden an den Genfer Verhandlungen ausgesprochen hätte, allerdings habe man sich nicht durchsetzen können.
Rudolf Henke, CDU
Positiv aufgenommen wurde die Nachricht von Frau Schmidt, dass es eine parteiübergreifende Initiative von Bundestagsabgeordneten gebe, mit der der Protest deutscher Parlamentarier gegen das Vorgehen Erdogans insbesondere gegen die Chefredakteure der Zeitung Cumhuriet ausgedrückt werden solle.
Ulla Schmidt, SPD
Allgemein begrüßt wurde die Bereitschaft der Abgeordneten, sich der Diskussion in dieser Form gestellt zu haben. Insbesondere fand Anerkennung, dass Frau Schmidt und Herr Henke der Einladung gefolgt waren, wohl wissend, dass sie in diesem Rahmen eine „Minderheitenposition“ vertreten würden.
Einig war man sich schließlich in der Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation durch den Waffenstillstand und die aktuellen Friedensgespräche.
Wir danken dem „Euregioprojekt – Frieden für die Fotos.
©KHO@euregioprojekt-frieden.org