Kundgebung am 8.Mai 2021 zum 76. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg durch die Rote Armee und Westalliierte.

Redebeitrag von Detlef Peikert für die VVN/BdA und das Antikriegsbündnis Aachen

Liebe Freundinnen u. Freunde,

ich bin den Veranstaltern dieser Kundgebung sehr mit Dank verbunden, weil die Erinnerung an den 8. Mai als Tag der Befreiung wichtig ist. Wir müssen daran erinnern, dass die Sowjetunion am Ende des Krieges 27 Millionen Menschen verloren hatte. Wir müssen erinnern, dass die Rote Armee der Sowjetunion Auschwitz befreit hat, dass die Rote Armee die Hauptlast des Krieg getragen hat, um die Welt vom Faschismus zu befreien.

Diese Erinnerung ist leider keine Selbstverständlichkeit. Es gibt erschreckende Versuche der Verfälschung der Geschichte, wie die Rehabilitierung von SS-Verbrechern als „Nationalhelden“ wie im Baltikum, oder wie die Verherrlichung von faschistischen Kollaborateuren Stepan Bandera in der Ukraine. Warum diese Geschichtslügen? Warum behauptet das EU-Parlament in einer Resolution, nicht Hitler und nicht das Deutsche Reich, sondern Stalin und die Sowjetunion hätten den Zweiten Weltkrieg angefangen?

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Geschichtsschreibung steht immer im Zusammenhang aktueller Prozesse. Russland wurde, und zwar lange vor der Ukraine-Kriese, das Image eines Feindes verpasst. Ähnlich wie gegen China wird ein Kalter Krieg 2.0 gegen Russland entfacht. Dieser begann spätestens 1997 mit der ersten Erweiterungsrunde der NATO: Entgegen den Verträgen mit Russland wurde die NATO bis an die russischen Grenzen ausgeweitet. Ein Raketenabwehrschirm bedroht die Zweitschlagfähigkeit Russlands. Mehrere hundert Militärbasen der USA sind rund um Russland angelegt. Dieser Tage konnten wir die neuen SIPRI-Zahlen über Rüstungsausgaben zur Kennnis nehmen. Die NATO-Staaten haben 2020 1.102 Milliarden US-Dollar für Rüstung ausgegeben, fast 18 mal sowie wie Russland mit 61,7 Mrd US-Dollar.

Heue vor einer Woche ist das „XXL-Manöver des Jahres“ (Deutscher Bundeswehrverband) „Defender Europe 2021“ gestartet. Es demonstriert Geschichtsvergessenheit und Unbelehrbarkeit. Es ist die größte Übung des Westens seit dem Ende des Kalten Krieges. Der Bundeswehrverband (DBwV) jubelt daher auf seiner Website: „28.000 Soldaten aus 26 Nationen bei simultan laufenden Operationen in 12 Ländern – die Zahlen hinter der Großübung ‚Defender-Europe 2021‘ lesen sich fantastisch.“, so der Bundeswehrverband.

Hochrüstung und militärische Einkreisung Russlands, das permanente Infragestellen der Gaspipeline Nord-Stream II, die ständige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands, die Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA, das alles ist die Sprache von Konfrontation und Aggression. Sie ergibt sich aus den erwähnten Geschichtslügen, und diese steht in krassem Gegensatz zu den Lehren des 80. Jahrestages. Das alles kann geradewegs zu einem neuen Krieg gegen Russland führen.

Es ist richtig, der Umgang mit Nawalny wird in Russlands demokratischer Bewegung intensiv und widersprüchlich diskutiert. Daraus darf sich hier aber niemand das Recht ableiten, sich in die inneren Angelegenheiten Russlands einzumischen. Es ist richtig, es gibt eine Ukrainekrise. Aber solange Kiew das Minsker Abkommen ablehnt, ist einer friedlichen Entwicklung der Weg verbaut. Und niemand im Westen hindert den ukrainischen Präsidenten Selenskyi an seinem kriegerischen Blockadekurs.

Liebe Freundinnen u. Freunde,,

es droht Krieg. Wir kommen am 8. Mai nicht umhin festzustellen, der Aggressor ist der Westen, der Aggressor sind die NATO, die USA, die EU – und immer an führender Stelle mit Russland-Bashing dabei, der deutsche Aussenminister.

Es gibt Alternativen. Wir fordern eine Deeskalation des Ukraine-Konflikts: Beendigung aller Truppenbewegungen, Erneuerung des Waffenstillstandabkommens, Absage an die Forderungen der Ukraine nach NATO-Beitritt oder atomarer Bewaffnung; Verhandeln statt drohen!

Wir fordern einen sofortigen Stopp des „Defender“-Manövers, Ausstieg Deutschlands aus der Unterstützung und Beteiligung.

Und wir fordern Maßnahmen für eine neue Entspannungspolitik in Europa, Bildung eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems unter Einschluss Russlands.

Liebe Freundinnen u. Freunde,,

zum Schluss möchte ich aus einem offenen Brief der großartigen Esther Bejarano, Überlebende der KZ Auschwitz und Ravensbrück, Ehrenvorsitzende der VVN-Bda, vom 26.1.2020 zitieren.

Esther Bejarano stellt in diesem Brief fest, „inzwischen wird vom Erinnern und Gedenken als einer Gedenkkultur gesprochen. Wir spüren, wie tief viele Menschen bewegt sind, manche haben sich das “Nie wieder” zur Lebensaufgabe gemacht.“.

Und dann fragt sie, was können wir tun?

Esther Bejarano: „Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Wie viele andere aus den Konzentrationslagern wurde auch ich auf den Todesmarsch getrieben. Erst Anfang Mai wurden wir von amerikanischen und russischen Soldaten befreit. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“

Kundgebung und 1.Mai-Demo auch 2021 in Aachen

Der DGB hat in diesem Jahr auf eine eigene 1.Mai-Veranstaltung in Aachen verzichtet. Zahlreiche linke Gruppen haben aber nicht darauf verzichtet, auch unter Pandemiebedingungen soziale und politische Forderungen auf der Straße zu stellen. Gut 160 Menschen haben sich an der Kundgebung am Aachener Markt und der anschließenden Demonstration durch die Innenstadt beteiligt. Es gab 12 Reden (!) und es herrschte eine sehr gute kämpferische und solidarische Stimmung, zumal die Demonstration erst über das Verwaltungsgericht Aachen durchgesetzt werden musste.

Die Reder*innen kritisierten u.a. auch die Pandemiepolitik der Bundesregierung, die alle Lasten der Eindämmungsmaßnahmen fast ausschließlich den Bürger*innen in Ihrem Alltagsverhalten auferlege.

Die großen Fabriken und Büros blieben offen, die Unternehmer machten hohe Gewinne, ohne sich um ausreichende Schutzmaßnahmen zu kümmern. Volle Busse und Bahnen für die arbeitenden Menschen und auch Schüler*innen.

Einen harten mehrwöchigen Lockdown, wie ihn die Bewegung zero-covid forderte und wie er erfolgreich etwa in China und Australien durchgeführt wurde, hat die Bundesregierung stets abgelehnt, die Betriebe blieben offen und damit ein großes Ansteckungsrisiko für die Arbeitenden und Schüler*innen.

Redebeitrag des Antikriegsbündnis-Aachen am 1.Mai 2021

„Die Bundeswehr wurde in Gesundheitsämter und Krankenhäuser geschickt, weil diese in der Pandemie völlig unter Stress geraten sind. Ist es nicht ein Irrsinn, Krankenhausschliessungen und Privatisierungen wird kein Riegel vorgeschoben, aber das Sanitätswesen der Bundeswehr soll weiter ausgebaut werden?

Nein, dieser Widerspruch ist kein Irrsinn, er drückt exakt aus, wie in unserer kapitalistischen Gesellschaft versucht wird, die Krise zu bewältigen – mit einem Ausbau des Repressionsapparates des Staates auf allen Ebenen.

Im Mittelpunkt des Gewaltausbaus stehen die Bundeswehr, die NATO und die EU. Der Frieden ist in großer Gefahr!

Kriegsgefahr droht, wenn die Verteidigungsministerin unseres Landes stolz darauf ist: „Im Schnitt bekommt die Bundeswehr jede Woche einen neuen Panzer, jeden Monat ein neues Flugzeug und jedes Jahr ein neues Schiff.“

Kriegsgefahr droht, wenn China mit Abwehrraketen und neuen Atomwaffen eingekreist wird und dabei erklärt wird, dies diene dazu, die Zweitschlagskapazitäten Chinas auszuschalten. Ein atomarer Erstschlag gegen China soll so führbar werden.

Kriegsgefahr droht, wenn u.a. die Kanzlerdandidatin der Grünen, Annalene Baerbock, mehr Druck Deutschlands auf Russland und „Härte und Dialog“ gegenüber China fordert. Wobei Härte auch die Entsendung deutscher Kriegsschiffe vor chinesische Küsten einschliesst.

Kriegsgefahr droht, wenn aus dem Umfeld des Bundeskanzleramtes der Rat kommt, die Nato-Staaten solle einen ‘begrenzten Atomkrieg’ führen können (SWP-Studie 11, S.8).

Kriegsgefahr droht, wenn der US-Präsident den russischen Präsidenten als Mörder bezeichnet und die Bundesregierung zustimmend schweigt. So, wie sie allen völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen der USA in den letzten 49 Jahren zugestimmt hat.

Kriegsgefahr droht mit der Digitalisierung der Kriegstechnik, der Entwicklung neuartiger auch nuklearer Systeme und nicht zuletzt mit der Anschaffung eines völlig neuen Typs von Angriffswaffen – nämlich bewaffnete Drohnen.

Mit diesen Gefahren müssen wir uns aus drei Gründen befassen. Erstens sehen wir, kapitalistische Krisenbewältung läuft auf Krieg hinaus, zweitens sind die Rüstungsprogramme heute schon tödlich, und drittens brauchen Friedens- und Arbeiterbewegung einander.

Zu erstens. Der Kapitalismus ist weltweit mehrfach in eine schwere Krise geraten.

Er begreift den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas und seinen zunehmenden ökonomischen und politischen Einfluss in der Welt als Herausforderung, der er mit Kriegsvorbereitung entgegentritt. Es sind die Produktions- und Absatzkrisen des kapitalistischen Westens, in dem die Bedeutung eines Krieges als Lösungsinstrument zunimmt. Das dürfen wir nicht zulassen, Krieg ist für die Arbeiterbewegung keine Alternative, unsere Losung ist Solidarität.

Zu zweitens, die skizzierten Entwicklungen und Gefahren sind heute schon unbezahlbar. Der Rüstungshaushalt hat 50 Milliarden Euro überschritten, es ist angestrebt, in wenigen Jahren allein in Deutschland mehr Geld für die Rüstung auszugeben als der vermeintliche Gegner Russland. Abenteuerliche Rüstungsprogramme sind in der Pipeline. Allein 100 Milliarden EUR sind der geschätzte Systempreis für ein neues Flugzeugprojekt FCAS, ein System mit Kampfflugzeug, Drohnenbegleitung und Vernetzung mit weiteren Kampfsystemen. Über Jahrzehnte hinweg werden die Haushalte für Soziales und Gesundheit, für Bildung und Energiewende belastet. Rüstung gehört zum Krisenbewältigungsprogramm des Kapitalismus. Genau das macht ihn so gefährlich.

Und schließlich zu meinem dritten Punkt, die Friedensbewegung alleine kann den Kurs auf Krieg nicht stoppen. Das geht nur mit politischer und ökonomischer Gegenmacht. Dazu braucht es die Arbeiter u. Angestellten, die Gewerkschaften, die gesamte Arbeiterklasse und ihre Organisationen.

Deshalb appelliere ich abschließend zum 1. Mai an Euch alle:

Bezieht Stellung gegen die Kriegspläne, Nein zu Krieg!

Bringt in Euren Gewerkschaften und in den Vertrauenskörpern Stellungnahmen und Resolutionen ein. Dokumentiert öffentlich Eure Solidarität mit den Forderungen der Friedensbewegung, ladet ihre Aktivistinnen und Aktivisten zu Gesprächen und gemeinsamen Aktionsplanungen ein.

Und sofern Ihr mit Kriegs- und Rüstungsproduktion oder entsprechender Forschung an Hochschuleinrichtungen betraut seid, redet darüber mit Kolleginnen und Kollegen und Leuten aus der Friedensbewegung.

Wir brauchen einander. Kapitalismus und Krieg sind untrennbar miteinander verbunden. Die Arbeiterbewegung und die Friedensbewegung haben es gemeinsam in der Hand, den Kriegskurs dieses Landes zu stoppen und dem kapitalistischen System eine Säule seiner Existenz einzureißen. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Detlef Peikert, Antikriegsbündnis-Aachen