Der Polizeipräsident Aachens handelte rechtswidrig indem er die freie Meinungsäußerung bei der Karlspreisverleihung 2015 untersagte.
Das schriftliches Urteil liegt nun vor. Wir dokumentieren es in Auszügen.
Mit bemerkenswerten Begründungen zum Versammlungsrecht wurde der Klage des Antikriegsbündnis Aachen (AKB) vom Verwaltungsgericht Aachen Recht gegeben. Die Aachener Polizei vertreten durch den Polizeipräsidenten (PP) Dirk Weinspach hatte das Zeigen von Tafeln vor dem Aachener Rathaus verboten, weil
a) die Tafeln als Wurfgeschosse gegen die geladenen Gäste verwendet werden könnten.
b) die Versammlung des AKB nicht angemeldet war und auch keine Spontanversammlung gewesen sei.
Eine „Gefährdung der Karlspreisgäste“ wies das Gericht zurück und bezog sich u.a. auf die Aussage des vernommenen Polizeizeugen:
„Die Frage des Gerichts, ob er durch das Mitführen der Plakate einen Gefahren-tatbestand gesehen habe, hat der Zeuge vielmehr verneint und angegeben, es sei ihm allein um den Versammlungscharakter gegangen. Dem Zeugen ging es bei Erlass der streitigen Maßnahme daher ausschließlich darum, den Zutritt einer – aus seiner Sicht – nicht angemeldeten Versammlung zum Markt zu verhindern.“
Ebenso wenig ließ das Gericht gelten, die Versammlung des AKB sei nicht angemeldet gewesen.
Das Gericht stellte fest
„Die Tatsache, dass die Versammlung entgegen § 14 Abs. 1 VersG nicht angemeldet war, (kann) nicht quasi automatisch zu einer Auflösung führen.“
Und:
„Wird eine Veranstaltung unter freiem Himmel ohne eine vorherige Anmeldung durchgeführt, ist vielmehr stets zu prüfen, ob die Veranstaltung infolge der fehlenden Anmeldung eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung darstellt und ob andere Maßnahmen als die Auflösung, etwa nachträgliche Auflagen oder andere- schnell zu bewerkstelligende Maßnahmen, etwa eine polizeiliche Absicherung genügen. Es muss eine richtige Beurteilung der Gefahrenlage und eine (sorgfältige) Ermessensausübung stattfinden.“
Diesen Anforderungen ist die hier streitige Maßnahme – bei der es sich um ein Minus gegenüber einer Auflösung handelte – nicht gerecht geworden. Wie nämlich die Vernehmung des Zeugen PHK xxxxxxx ergeben hat, hat dieser gerade keine Beurteilung hinsichtlich einer Gefahrenlage – etwa einer potentiellen Bedrohung der Ehrengäste – vorgenommen.“
Fazit: Die Polizei hat rechtswidrig gehandelt. Es ging ganz offensichtlich darum, kritische Stimmen auf dem Markt zu verhindern und dem Preisträger Schulz und dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko Forderungen der Antikriegskräfte wie „Schluss mit der Einkreisungspolitik gegen Russland!“ zu ersparen. Zugelassen wurde dagegen ein Pro-Schulz-Transparent der SPD Würselen …..
Wenn es nach der Aachener Polizei geht, soll so etwas künftig nicht mehr vorkommen. Vorwand: Gefährdung der Ehrengäste bei der Karlspreisverleihung
Und ganz bedeutsam: nicht nur angemeldete oder spontane Versammlungen sind zulässig, auch nicht angemeldete Versammlungen können nach einer „Beurteilung der Gefahrenlage“ zulässig sein, wie im gegebenen Fall.
Interessant dürfte auch werden, wie sich die Polizei künftig verhalten wird. Da es ihr um die Verhinderung von Protesten geht, die die Feierlichkeiten stören könnten, böte sich an, nur Jubler mit Eintrittskarten zu einer geschlossenen Versammlung auf den Markt zu lassen.
Im Folgenden Auszüge aus dem Urteil:
Die Argumenation des Antikriegsbündnisses, vertreten durch Rechtsanwalt Rainer M.Hofmann (,dem wir unseren Dank für die überzeugende Prozessführung und den Erfolg aussprechen möchten)
Unter dem 8. Juni 2015 bestellt sich der Prozessbevollmächtigte (RA Rainer M. Hofmann) gegenüber dem Polizeipräsidenten(PP) Weinspach Aachen für den Kläger und forderte u.a. die Abgabe einer „Erklärung, dass anlässlich von Demonstrationen, Kundgebungen oder Versammlungen das Mitführen von Plakaten im Format DIN A 1 durch Polizeibeamte des Landes NRW nicht unterbunden werden (dürfen}, selbst wenn sie von einer gedachten Mehrheitsmeinung abweichende Meinungsäußerung enthalten, sofern sie keine beleidigenden Inhalte haben.“
Eine solche Erklärung wurde vom Polizeipräsidenten (PP) Aachen nicht abgegeben.
Am 13. November 2015 hat der Kläger Feststellungsklage erhoben. Diese begründet er Im Wesentlichen wie folgt: Die streitige polizeiliche Maßnahme sei allein auf das Ziel gerichtet gewesen, die Meinungsäußerung durch das Vorzeigen kritischer Plakate zu unterbinden. So sei auch das Hochhalten von gefalteten Pappschildern der Organisation „campact – Demokratie in action“ durch verschiedene Personen auf dem Markt von der Polizei unter Strafandrohung unterbunden worden. Dadurch sei das grundrechtlich geschützte Recht auf Meinungsäußerung verletzt worden. Eine Gefährdung des Preisträgers oder der Ehrengäste habe demgegenüber aufgrund des Abstands zwischen den Zuschauern und den möglicherweise gefährdeten Personen, der vorhandenen Absperrgitter (in zwei Reihen) sowie der Bauweise der streitigen Plakate nicht bestanden. Auch habe es erstmals im Jahr 2015 eine Weisung gegeben, das Vorzeigen von Protestzeichen (Plakaten etc.) zu unterbinden. Die angeblichen Sicherheitsbedenken seien nur vorgeschoben. Das ergebe sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass auf dem Markt wohl auch ein großes, an zwei Metallstangen be-festigtes Transparent der SPD Würselen vorgezeigt worden sei.
Das Polizeirecht sei vorliegend nicht anwendbar, da es sich bei dem Treffen anlässlich der Übertragung des Festaktes auf dem Markt um eine Versammlung gehandelt habe. An dieser hätten er, der Kläger, sowie andere Personen des „Antikriegsbündnisses“ teilnehmen wollen, um insbesondere ihr Missfallen gegen die Anwesenheit und die Politik des ukrainischen Präsidenten zum Ausdruck zu bringen. Ob die Veranstaltung auf dem Markt als Versammlung einzustufen sei, sei aber letztlich unerheblich, da vorliegend die Meinungsfreiheit einen nicht weniger weit reichenden Schutz vermittle.
Im Übrigen sei es abwegig, dem Kläger die Durchführung einer unangemel-deten Versammlung auf dem Markt vorzuhalten. Dort habe eine Versammlung oder zumindest ein zusammentreffen vieler Menschen mit dem Zweck stattgefunden, Zustimmung oder Ablehnung zu äußern. Daran habe sich der Kläger beteiligen und seine Meinung – auch durch das Hochhalten der Plakate – kund tun wollen. Die begehrte Feststellung sei daher aufgrund des grundrechtswidrigen – und auch gegen Normen der EMRK (Europäischen Menschenrechtskonvention) verstoßenden – Verhaltens der Polizei geboten.
Die Argumentation der Polizei
Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Feststellungsklage sei nicht begründet. Die Meinungsfreiheit des Klägers sei nicht verletzt worden. Die Rechtfertigung des Verbots, die streitigen Plakate auf den Markt mitzunehmen, folge aus § 8 PolG NRW. Auf dem Markt komme es an den Schutzgittern zu einem unmittelbaren Kontakt („Bad in der Menge“) zwischen einer Vielzahl sicherheitsgefährdeter Ehrengäste (Staatsoberhäupter, Minister etc.) und der Bevölkerung. Angesichts der gefährdeten Rechtsgüter habe hier die bloß weit entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts genügt.
Bei der vorliegenden öffentlichen Veranstaltung sei es nicht möglich gewesen, die Gesamtsituation durchgängig zu kontrollieren. Daher sei es erforderlich gewesen, jede potentielle Gefahr zu unterbinden, und hätten die Bürger, die dem Festakt auf dem Markt beiwohnen wollten, keine Gegenstände mitführen dürfen, die – wie etwa Wurfgegenstände oder Holzlatten – als Waffe gegen den Preisträger oder die Ehrengäste hätten eingesetzt werden können.
Die Meinungsfreiheit müsse gegenüber dem Recht der Gäste auf körperliche Unversehrtheit zurücktreten. Im Übrigen habe für den Kläger die Möglichkeit bestanden, seine Meinung ohne die Plakate kund zu tun, etwa mitgeführte Plakate zu entrollen und wahrnehmbar zu zeigen. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasse nicht zwangsläufig auch das Recht, Plakate auf Holzlatten zu befestigen. Eine Weisung, das Vorzeigen von Protestzeichen zu unterbinden, habe es nicht gegeben.
Auf die Versammlungsfreiheit könne sich der Kläger vorliegend nicht berufen, weil eine Versammlung auf dem Markt nicht angemeldet worden sei.
Von einer Spontanversammlung habe ebenfalls nicht ausgegangen werden können.
Wurde bei der Karlspreisverleihung 2015 von der Polizei auf dem Markt nicht erlaubt.
Die Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichtes Aachen
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg.
(….)
Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausspruch der begehrten Feststellung, weil die ihm gegenüber am 14. Mai 2015 erfolgte polizeiliche Maßnahme – Untersagung des Zutritts auf den Markt unter Mitnahme von 3 Plakaten der Größe DIN A1, angebracht an dünnen hölzernen Trägern mit den Maßen ca. 46,5 cm Länge und einer Kantenbreite von 2,4 cm x ca. 2 cm – rechtswidrig gewesen ist.
Bei der in Rede stehenden Maßnahme handelte es sich nicht nur um einen bloßen unverbindlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit des Mitführens der Plakate, sondern um eine verbindliche Verwaltungsakts.
Untersagung Aufgrund durch Erlass eines belastenden der mündlichen Verhandlung (mündlichen) und insbesondere der Vernehmung des Zeugen PHK steht nämlich fest, dass dem Kläger das des Marktes unter Mitführung der streitigen Plakate in keinem Fall gestattet worden wäre.
Die Untersagungsverfügung ist von dem handelnden Polizeibeamten, dem Zeugen PHK xxxxxx, nicht auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel des § 8 PolG NRW erlassen worden. Die Frage des Gerichts, ob er durch das Mitführen der Plakate einen Gefahrentatbestand gesehen habe, hat der Zeuge vielmehr verneint und angegeben, es sei ihm allein um den Versammlungscharakter gegangen. Dem Zeugen ging es bei Erlass der streitigen Maßnahme daher ausschließlich darum, den Zutritt einer – aus seiner Sicht – nicht angemeldeten Versammlung zum Markt zu verhindern. Fragen der Gefährdung spielten für den Erlass der Untersagungsverfügung demgegenüber keine Rolle. Bei dieser Sachlage konnte die streitige Maßnahme aber nicht nach § 8 PolG NRW, sondern allein auf versammlungsrechtlicher Grundlage erlassen werden. (….)
Bei der von dem Kläger angeführten Gruppe von etwa 10 Personen, die auf dem Aachener Markt nicht zuletzt durch die mitgeführten Schilder ihre Ansicht zu verschiedenen politischen Themen äußern wollte G,Frieden in Europa, nicht gegen Russland; Schluss mit der Dämonisierung Russlands, Deutschland raus aus der Nato; Schluss mit der Einkreisungspolitik gegen Russland. ‚1, handelte es sich auch um eine Versammlung.
Eine Versammlung i.S.v. Art. 8 GG ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung und umfasst auch provokative Äußerungen.
Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und
gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen. Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2014 – 1 BvR 980/13 -, juris Rn. 15 m.w.N .
Danach handelt es sich bei der Gruppe um den Kläger aber offenkundig um eine Versammlung, da die Teilnehmer Position zu aktuellen politischen Themen beziehen und damit einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten wollten.
Etwas anderes gilt im Übrigen für die Gesamtheit der auf dem Markt zusammenge-kommenen Menschen. Diesen ging es mehrheitlich nicht um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, sondern schlichtweg um die Teilnahme an dem auf dem Markt stattfindenden öffentlichen Teil der Feierlichkeiten zur Karlspreisverleihung, insbesondere um die Teilnahme an dem „Bad in der Menge“ des Preisträgers sowie der zahlreich erschienenen Staatsoberhäupter und sonstigen Ehrengäste.
Freie Meinungsäußerung am Weihnachtsmarkt 2014 anlässlich eines Tribunals gegen Russland – ohne einen Vertreter der russischen Botschaft
Sofern verschiedene Gruppierungen diese Gelegenheit zur öffentlichen Meinungskundgabe – mit unterschiedlicher politischer Zielrichtung – nutzen, gibt dies der Veranstaltung auf dem Markt nicht insgesamt das Gepräge einer Versammlung.
Der Kläger oder eine sonstige Person aus der Gruppe um den Kläger hatten die auf dem Markt geplante Versammlung zwar unstreitig nicht gemäß§ 14 VersG angemeldet. Auch handelte es sich erkennbar nicht um eine sog. Spontanversammlung, sondern vielmehr um eine sorgfältig und bereits seit längerem vorbereitete Versammlung. Das zeigen bereits die mitgeführten Plakate, die von den gezeigten Themen her nicht zu der Versammlung auf dem „Hof‘ mit dem Motto „Kein TTI P – nirgendwo“ passen, sondern offenkundig die Gäste der Karlspreisverleihung auf dem Markt, insbesondere die Präsidenten Gauck und Poroschenko, als Adressaten im Blick hatten, und die Mail von W. xxxxxxxxx vom 10. Mai 2015 an die Mitglieder des Antikriegsbündnisses (BI. 95 der Gerichtsakte).
Gleichwohl folgt daraus nicht die Rechtfertigung für die in Rede stehende Untersagung des Mitführens von Plakaten.
Der Schutz des Art. 8 GG besteht im Grundsatz nämlich unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist. Er endet erst mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2014 – 1 BvR 980/13 -, juris Rn. 17 m.w.N.
Der Aachener Markt war am 14. Mai 2015 im Übrigen auch keine „versammlungsfreie Zone“. Die Versammlungsfreiheit verschafft zwar kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Insbesondere gewährt sie keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten
Zwecken Zugang gewährt wird . Die Versammlungsfreiheit verbürgt die Durchführungen von Versammlungen jedoch dort, wo ein kommunikativer Verkehr eröffnet ist; ausschlaggebend ist die tatsächliche Bereitstellung des Ortes und ob nach diesen Umständen ein allgemeines öffentliches Forum eröffnet ist. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2014 – 1 BvR 980/13 -, juris Rn. 17 m.w.N.
Der Aachener Markt war zwar anlässlich der Karlspreisverleihung abgesperrt und nur durch einige wenige Durchlassstellen – nach Kontrolle durch die Polizei – erreichbar. Das änderte aber nichts daran, dass es sich nach wie vor um einen öffentlichen Platz handelte, auf dem – so führt die Beklagtenseite es ausdrücklich aus – jedermann seine Meinung öffentlich kundtun konnte, sei es durch Beifall für den Preisträger und die Ehrengäste, sei es durch kritische Meinungsäußerung diesen gegenüber.
Die von dem Zeugen PHK ausgesprochene Untersagung des Mitführens der Plakate konnte jedoch trotz der fehlenden Anmeldung nicht auf § 15 Abs. 3 VersG gestützt werden.
Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug unter anderem dann auflösen, wenn sie nicht angemeldet sind. Allerdings kann die Tatsache, dass die Versammlung entgegen§ 14 Abs. 1 VersG nicht angemeldet war, nicht quasi automatisch zu einer Auflösung führen. Vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 – „Brokdorf II“; VGH Bad .-Württ., Urteil vom 25. April 2007 -1 S 2828/06 -, juris Rn. 27. S. 11/ZSOZ’il
Wird eine Veranstaltung unter freiem Himmel ohne eine vorherige Anmeldung durchgeführt, ist vielmehr stets zu prüfen, ob die Veranstaltung infolge der fehlenden Anmeldung eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung darstellt und ob andere Maßnahmen als die Auflösung, etwa nachträgliche Auflagen oder andere- schnell zu bewerkstelligende Maßnahmen, etwa eine polizeiliche Absicherung genügen. Es muss eine richtige Beurteilung der Gefahrenlage und eine (sorgfältige) Ermessensausübung stattfinden.
Diesen Anforderungen ist die hier streitige Maßnahme – bei der es sich um ein Minus gegenüber einer Auflösung handelte – nicht gerecht geworden. Wie nämlich die Vernehmung des Zeugen PHK ergeben hat, hat dieser gerade keine Beurteilung hinsichtlich einer Gefahrenlage – etwa einer potentiellen Bedrohung der Ehrengäste – vorgenommen. Die Maßnahme wurde von ihm vielmehr ausschließlich damit begründet, dass es sich aufgrund der mitgeführten Plakate erkennbar um eine – nicht angemeldete – Versammlung gehandelt habe. Diese Begründung ist aber be-reits deshalb nicht ermessensgerecht, weil das Vorliegen einer Versammlung nicht von dem Mitführen der Plakate abhängt.
Die Plakate stellen nur eine Form der Meinungskundgabe dar. Eine Versammlung kann ohne Weiteres auch ohne Plakate abgehalten werden, wobei eine Meinungskundgabe durch Rufe etc. und sogar auch in Form einer stillen Mahnwache erfolgen kann. Soweit das beklagte Land (erst) im vorliegenden Klageverfahren im Wesentlichen auf die potentielle Gefährdung des Preisträgers und der Ehrengäste abgestellt hat, ist dies ein Gesichtspunkt, der im Grundsatz – entweder als Auflage zu einer angemeldeten Versammlung auf dem Markt oder als nachträgliche Auflage – das Verbot des Mitführens bestimmter Gegenstände rechtfertigen kann. Allerdings setzt dies eine vorherige, nachvollziehbare Beurteilung der Gefahrenlage dahingehend voraus, dass nicht nur offenkundig als Waffen zu nutzende Gegenstände (etwa Steine, Schlagstöcke, Schleudern), sondern auch an sich unverfängliche Gegenstände – wie etwa die hier in Rede stehenden Plakatträger – wegen der konkreten hohen Gefährdungsstufe von den gefährdeten Gästen fernzuhalten sind .
Das Vorliegen einer Gefahrenbeurteilung, die sich dann auch der Zeuge PHK xxxxx bei Erlass der streitigen Maßnahme zu Eigen gemacht haben könnte, ist von Seiten des beklagten Landes nicht behauptet worden.Falls dies aus Gründen der Geheimhaltung bzgl. der Einsatztaktik erfolgt sein sollte, geht dies zu Lasten des beklagten Landes.
Unser Dank gilt auch dem Zeugen der Polizei, PHK xxxxx, der wahrheitsgemäß aussagte, es habe keine Gefährdung der Karlspreisgäste bestanden und die Untersagung des Zuganges zum Markt sei einzig damit begründet worden, dass es sich um eine unangemeldete Versammlung handele.