Uni Marburg: Studierende protestieren gegen Kriegsrückkehrerkonferenz

Widerspruch zur „Internationalen Konferenz: Rückkehrende aus dem Einsatz“

Wir veröffentlichen hier den Widerspruch Studierender an der Uni Marburg gegen die „Internationale Konferenz: Rückkehrende aus dem Einsatz“, die vom 07.-09.07.2016 stattfinden soll.

Kern der Kritik ist: Die Veranstaltung, finanziert von den katholischen Militärgeistlichen, deren Gehälter das Verteidigungsministerium bezahlt, soll Wege diskutieren, wie die aus den Auslandseinsätzen zurückkehrenden und traumatisierten Soldatinnen und Soldaten wieder in ein normales Leben integriert werden können. Eine derartige Veranstaltung trägt damit dazu bei, dass Kriege weiter führbar bleiben, kümmert sich doch die Militärseelsorge um die psychischen Kollateralschäden bei den den Kampfsoldaten und Soldatinnen. So heißt es im Aufruf weiter:

Die permanenten deutschen Kriegseinsätze mit immer mehr kriegsgeprägten Rückkehrenden nach Deutschland sollen als Normalität in die Gesellschaft integriert werden. Anstatt Kriege als Ursache auch für traumatisierte und verletzte deutsche Soldat*innen grundsätzlich zu kritisieren, sollen die Folgen in Deutschland möglichst reibungslos eingegliedert werden. Kriege der Bundeswehr gegen Menschen in aller Welt werden als schlichte Realität hingenommen und dadurch legitimiert.

Wir unterstützen den Protest und die bemerkenswerte Begründung für die Aufforderung an die Veranstalter, diese Konferenz abzusagen.

Nachstehend die Erklärung und der Link zur Webseite „Zivilklausel Marburg“ mit Download-Möglichkeit . Hier kann man den Widerspruch unterstützen.

Hier der Widerspruch:

Marburg, 30.Mai.2016

Im Sommer diesen Jahres – vom 07.-09.07.2016 – soll die hier benannte Konferenz1 unter Mitwirkung und Ausrichtung durch das Zentrum für Konfliktforschung Marburg (ZfK) stattfinden. Schon jetzt lässt sich an den angekündigten Vorträgen sowie anhand der Involviertheit vieler Redner*innen in militärische Institutionen und militärische Forschung eine klare Ausrichtung der Konferenz erkennen: Die permanenten deutschen Kriegseinsätze mit immer mehr kriegsgeprägten Rück-kehrenden nach Deutschland sollen als Normalität in die Gesellschaft integriert werden. Anstatt Kriege als Ursache auch für traumatisierte und verletzte deutsche Soldat*innen grundsätzlich zu kritisieren, sollen die Folgen in Deutschland möglichst reibungslos eingegliedert werden. Kriege der Bundeswehr gegen Menschen in aller Welt werden als schlichte Realität hingenommen und dadurch legitimiert.

Entsprechend dieser inhaltlichen Ausrichtung hat sich die katholische Militär-seelsorge bereit erklärt, die Konferenz zu finanzieren. Diese kirchliche Institution ist vollständig in die Bundeswehr eingegliedert, die beschäftigten Pfarrer werden vom Verteidigungsministerium bezahlt und nehmen an Auslandseinsätzen teil. Auch bei anderer Finanzierung wäre die Konferenz aufgrund ihres Inhaltes unbedingt zu kritisieren. Dieser Hintergrund verschärft die Kritik jedoch deutlich.

Kontext: Deutschland im Krieg

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, Deutschland international als Großmacht zu etablieren. Für diese Politik ist es elementar, über eine schlagkräftige Armee zu verfügen. Machtpolitische Interessen und die wirtschaftlichen Interessen weniger Großkonzerne sollen auch mit Gewalt durchsetzbar sein – die Sicherheit der Mehrheitsbevölkerung ist dabei zweitrangig. In diesem Sinne wurde die Bundeswehr seit den 1990ern weg von der tatsächlichen Landesverteidigung und hin zu einer sogenannten „Einsatzarmee“ entwickelt. Sie ist darauf ausgerichtet, in andere Staaten militärisch einzugreifen und die Lage dort ohne Berücksichtigung der einheimischen Bevölkerung nach politischen Vorgaben von außen zu beeinflussen. Die kürzlich beschlossene enorme Erhöhung des Militärbudgets sowie der ohne wirkliche parlamentarische Debatte beschlossene Einsatz in Syrien und die Pläne für eine Kriegsbeteiligung in Libyen sind besorgniserregende Zeichen für die Ernsthaftigkeit dieser militaristischen Pläne.

Teil der Kriegsvorbereitungen ist es auch, die eigene Bevölkerung auf die neue Realität der ständigen deutschen Kriegseinsätze einzustellen. Über großangelegte Werbekam-pagnen der Bundeswehr und das Schlagwort der „deutschen Verantwortung“ soll militärische Gewalt legitimiert werden – eine „Verantwortung“, die sich jedoch immer auf Kriegseinsätze und nie auf z.B. gerechtere Handelsbeziehungen ohne ausbeuterische Verträge oder ein Ende der Abschottung Europas bezieht.

Forschung im Dienste militaristischer Politik

Die Konferenz „Rückkehrende aus dem Einsatz“ stößt in dieselbe kriegsnormalisierende Richtung. Initiiert wurde sie von Frau Dr. Näser-Lather. Sie war selbst als Reserveoffizierin der Bundeswehr in Afghanistan und befasst sich auch in ihrer Forschung mit der gesellschaftlichen Eingliederung der deutschen Armee, indem sie unter anderem zur „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ für Soldat*in-nen publiziert. Die weiteren Organisatoren – Prof. Bonacker und Prof. Daxner – haben als Herausgeber des Sammelbandes „Interventionskultur“ Überlegungen angestellt, wie militärisch besetzte Gesellschaften am besten stabil gehalten werden können. Auch viele der anderen Redner*innen sind entweder Mitglieder militärischer Organi-sationen oder forschen unkritisch in deren Interesse. So ist Frau Dr. Seiffert direkt bei einem Bundeswehrinstitut2 beschäftigt und forscht dezidiert mit dem Ziel „die Einsatzvorbereitung, die Auftragserfüllung vor Ort und die Integration von Einsatzsoldaten nach der Rückkehr zu verbessern“3.

Dementsprechend lassen auch die im Tagungsprogramm vorgesehenen Redebeiträge jede kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Krieg“ als Ursache für die Probleme Kriegsrückkehrender vermissen. Vielfach werden die Narrative und Methoden behandelt, mit denen Soldat*innen selbst und ihre Gesellschaften mit der Kriegsbeteiligung und ihren Folgen umzugehen versuchen. Die Frage, ob die Probleme dieser Soldat*innen nicht auch die unvermeidliche Konsequenz davon sind, dass sie von der Bundesregierung in nicht zu rechtfertigende Kriege mit all ihren Schrecken geschickt wurden, wird nicht einmal gestellt. Das Ziel scheint nur die etwas reibungs-losere Eingliederung von Rückkehrenden zu sein. Es sollen die Symptome soweit bekämpft werden, dass die Ursache – der Krieg – weiter intakt gelassen werden kann.

Dabei ist das Thema der Kriegsrückkehrenden – und auch ziviler Kriegsrückkehrender – durchaus wichtig genug, um wissenschaftlich behandelt zu werden. Geschieht dies jedoch wie auf dieser Konferenz unter Ausklammerung des Krieges als eigentlicher Ursache und völlig unkritisch bis tendenziös, so wird damit Krieg normalisiert. Auf dieser Tagung wird Forschung in den Dienst einer militaristischen Politik gestellt. Besonders besorgniserregend ist, dass zusätzlich die Gründung eines „Netzwerkes ,RückkehrerInnen‘“ vorgesehen ist, mit dem eine Forschung dieser Stoßrichtung weiter gestärkt würde.

Protest gegen die Vereinnahmung unserer Universität

Wir lehnen daher die Konferenz „Rückkehrende aus dem Einsatz“ in ihrer angekün-digten Form und mit der Finanzierung durch die katholische Militärseelsorge vollkommen ab. Wir protestieren gegen die Vereinnahmung der Strukturen des Zentrums für Konfliktforschung für militaristische Zwecke. Die Entscheidung, diese Konferenz von Seiten des Zentrums zu unterstützen ist keineswegs transparent getroffen worden. Es ist außerdem nicht hinnehmbar, dass die Philipps-Universität mit dem Sprachatlas ihre Räumlichkeiten für eine solche Tagung hergibt.

Forschung über Kriege, ihre Ursachen und Folgen, ist dringend notwendig. Genauso wie es wichtig ist, durch Bildungsarbeit an der Problematisierung von Gewaltver-hältnissen zu arbeiten, oder sich gar explizit an einer Krieg überwindenden Forschung zu beteiligen. Forschung für den Krieg jedoch ist nicht zu rechtfertigen!

Wir stellen uns gegen alles, wofür diese Tagung steht! Wir fordern Frau Naser-Läther, Herrn Daxner und Herrn Bonacker als verantwortliche Personen sowie das ZfK und die Universität Marburg als tragende Institutionen auf, diese Konferenz abzusagen!

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